Am letzten Verhandlungstag im Rechtsstreit Prüfungsverband gegen die Genossenschaft JARIVA wurden zwei Prüfer des klagenden genossenschaftlichen Prüfungsverbandes als Zeugen gehört. Zur Erinnerung: Die Genossenschaft hält die Prüfungen des Verbandes für weit übertrieben und künstlich aufgebläht. Deshalb hat sie die Rechnungen des Prüfungsverbands gekürzt. Sie verweist auf den in der Anfangsphase äußerst überschaubaren Geschäftsumfang: Keine Angestellten, keine Mieten für Geschäftsräume, sondern nur ehrenamtlich mitarbeitende Freiberufler, die nebenher den Geschäftsbetrieb der Genossenschaft aufbauten. In den eigenen vier Wänden, und fast alles aus der eigenen Tasche finanziert.
Dr. Beckmann, Anwalt der verklagten Genossenschaft und Mitglied der Hamburger Anwaltskanzlei Brügmann und Partner, befragte die Zeugin, ob sie zum Zeitpunkt der Prüfung Prüfungsassistentin oder vollwertige Prüferin gewesen sei. Er zeigte dem Richter eine Broschüre des Verbands. Sie zeigt alle Mitarbeiter des Verbands mit Fotos. Die Zeugin ist als Assistentin aufgeführt. Abgerechnet wurde sie aber als vollwertige Prüferin. Es galt die Frage zu klären, ob hier ein Azubi zum Stundensatz eines Gesellen oder Meisters abgerechnet wurde. Auch auf eindringliche Befragung konnte die Zeugin sich nicht erinnern ob sie noch Assistentin war. Den Vertretern der Genossenschaft drängte sich der Verdacht auf, dass die Prüferin ihren damaligen Arbeitgeber nicht belasten wollte.
Richter Dr. Linke befragte den zweiten Prüfer, wie die 5 Tage Prüfungsdauer zustande kamen. Der Zeuge antwortete, dass die Einsatzplanung des Prüfungsverbandes die Dauer vorgibt. Erstaunte Gesichter, bei den Vertretern der Genossenschaft. Damit war ausgesprochen, was bisher nur vermutet, aber nie bewiesen werden konnte: Die Prüfungsdauer steht vorher fest. Der Prüfer muss die vorgegebene Zeit auszufüllen, egal wie wenig Arbeit er hat. Im Falle der verklagten Genossenschaft, hatte er also 5 Tage damit verbracht, nicht viel mehr als einige Telekomrechungen zu prüfen.
Der Richter fragte den Zeugen auch, was unter den einzelnen Posten seiner Tätigkeitsnachweise zu verstehen sei. Er konnte sich nicht erinnern und gab nur Erklärungen dazu ab, wie Prüfungen im Allgemeinen ablaufen. Dann sagte er, dass solche Tätigkeitsnachweise sonst überhaupt nicht üblich seien. Die Vertreter der Genossenschaft schauten sich wieder an. Damit schien klar, dass die Prüfer die Tätigkeitsnachweise erst anfertigten, als sie im Verlaufe des Prozesses angefordert wurden.
Ein Großteil der Fragen des Richters hatten erkennbar das Ziel, herauszufinden ob es eine Bemessungsgrundlage für Prüfungen gibt. Eine Art Maßstab, den man anlegen kann. Hierzu verwiesen die Vertreter der verklagten Genossenschaft auf den Fall einer Carsharing Genossenschaft aus Lübeck. Auch diese Genossenschaft hatte die Rechnungen gekürzt. Und auch hier war es derselbe Prüfungsverband, der die Genossenschaft verklagte. In dem damaligen Gerichtsverfahren, wurde festgestellt, dass fünf Tage Prüfungsdauer angemessen sein. Damit gibt es einen quasi amtlich festgestellten Maßstab. Eine Genossenschaft in der Größenordnung von Carsharing darf 5 Tage geprüft werden. Legt man diesen Maßstab an die damals neue und kleine Genossenschaft JARIVA an, dann wird klar, dass es eine sehr große Diskrepanz gibt. Wenn eine Genossenschaft wie Carsharing, mit 3 Standorten, 90 Autos und mehreren Beschäftigten 5 Tage geprüft wird, dann ist es nicht nachzuvollziehen, warum eine Genossenschaft mit hundertmal kleinerem Geschäftsumfang ebenfalls 5 Tage geprüft wird.
Die Antworten der Zeugen waren für den Prüfungsverband mehr als peinlich. Sie geben Einblick in eine spezielle Sparte der deutschen Wirtschaftsprüfung die überaus große Privilegien genießt und weitestgehend unkontrolliert agiert. Anscheinend hat die Anwältin des klagenden Verbandes die Zeugenbefragung als ebenso peinlich empfunden. Wahrscheinlich deshalb bat sie um etwas Zeit, um noch einmal schriftlich plädieren zu können.
Das Verfahren könnte letztlich dazu beitragen, die Gängelung der deutschen Genossenschaften abzuschaffen. Ein Kontrollregime, dass noch aus der Zeit des Nationalsozialismus stammt. Der NSDAP waren die demokratisch organisierten Genossenschaften bekanntermaßen suspekt. Dr. Beckmann, der Anwalt der verklagten Genossenschaft hat bereits angekündigt, die Problematik letztlich vor dem Verfassungsgericht klären zu wollen. Das Modell aus Zwangsmitgliedschaft und der Pflicht sich von dem Prüfungsverband gegen Gebühr prüfen zu lassen, gibt es ohnehin nur in Deutschland. Dass dieses Modell so lange überlebt hat, liegt daran, dass es bei Prüfungsverbänden sehr beliebt ist. Garantiert es doch anstrengungslosen Wohlstand. Die meisten Verbände haben ihre Monopolstellung still genossen, und ihre Zwangsmitglieder nicht in übertriebener Weise zur Kasse gebeten. Der klagende Verband scheint hingegen kräftig abkassiert zu haben. Wie immer in solchen Fällen, sind es Übertreibung und Gier, die ein ganzes System ins Wanken bringen. In diesem Fall, das deutsche Modell der Genossenschaftlichen Prüfung. Bedanken können sich die bundesdeutschen Prüfungsverbände dafür bei ihren Hamburger Kollegen.