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Bertelsmann gibt seinen Anteil bei Sony BMG auf und zieht sich weitgehend aus dem Musikgeschäft zurück. Gerät das IT-Leuchtturmprojekt Theseus nun ins Abseits?

Der Gütersloher Bertelsmann Konzern verkauft seinen 50-Prozent-Anteil an Sony BMG. Dem Vernehmen nach kauft Bertelsmanns Partner Sony den Anteil für rund eine Milliarde Euro. Der zweitgrößte Musikkonzern der Welt wird zukünftig allein von Sony unter der Marke Sony Musik Entertainment betrieben.
Warum ist die Meldung auch für IT-Freelancer von Bedeutung? Weil sich Bertelsmann zuletzt stark bei der Entwicklung zukunftsträchtiger IT-Themen engagiert hat. Insbesondere bei dem von der Bundesregierung mit großen finanziellen Mitteln geförderten Leuchtturmprojekt Theseus. Die Bertelsmann Tochter Empolis hat die Projektleitung. Einige Projekte von Theseus befassten sich mit Themen der Musikindustrie. Freelancer-Blog berichtete. Ob Theseus für Bertelsmann nun noch eine hohe Priorität hat, wird mit dem Ausstieg aus dem Musikgeschäft fraglich.

Braucht das IT-Leuchtturmprojekt Theseus Hilfe?

Was Theseus ist? Theseus ist das zurzeit wahrscheinlich größte öffentlich geförderte IT-Projekt Deutschlands. Ein sog. Leuchtturmprojekt.
Zur Erinnerung: Der damalige Bundeskanzler Schröder und der französiche Präsident Chirac hatten verabredet, den amerikanischen Internet-Suchmaschinen eine europäische Suchmaschine entgegenzusetzen. Der Name des Projekts: Quaero.
Schon kurze Zeit nach dem Start von Quaero hat sich die deutsche Seite aus dem Projekt verabschiedet. Ende 2006 kündigte die deutsche Regierung auf dem sog. IT-Gipfel ein neues Projekt namens Theseus an. Finanziell sollte Theseus mit öffentlichen Mitteln in Höhe von 90 Millionen Euro ausgestattet werden. Die deutsche Wirtschaft sollte noch einmal einen Betrag in gleicher Höhe drauflegen. Die Kanzlerin kündigte auf dem IT-Gipfel aber auch an, dass sie von Theseus schon in absehbarer Zeit Arbeitsergebnisse sehen wolle.

Und nun das:
Theseus wendet sich mit einem Wettbewerb an die Öffentlichkeit. Gesucht werden Ideen für Theseus.
Was ist davon zu halten? Hat Theseus die Millionen auf dem Konto, aber keine Ideen was damit konkret entwickelt werden könnte? Ist der Ideenwettbewerb eine Art Hilferuf?
Eine echte Gemeinheit der Kanzlerin, Ergebnisse sehen zu wollen. Das stört doch nur die Ruhe beim Verfrühstücken, – Entschuldigung, beim „Verforschen“ der Fördermillionen und bereitet unnötigen Stress. Und unter Stress hat man bekanntlich keine guten Ideen.

Eines wird aus dem Fragenkatalog des Wettbewerbs aber schon deutlich. Nämlich die Zielrichtung von Theseus. Man ist sehr daran interessiert Ideen für das digitale Rechte Management (DRM) zu erhalten. DRM soll die Musikindustrie vor dem unberechtigten Kopieren und Verteilen ihrer Werke im Internet schützen.

In diesem Zusammenhang ist noch wissenswert, dass die Federführung des Großprojekts Theseus, einem Tochterunternehmen von Bertelsmann zugesprochen wurde. Bertelsmann gehört zusammen mit seinem Partner Sony zu den weltgrößten Medienkonzernen; Sony BMG. Gewiss tut es Sony BMG finanziell weh, dass immer mehr Musik einfach im Internet getauscht wird. Da ist es für die Bertelsmann Music Group eine feine Sache, dass der deutsche Steuerzahler gewissermaßen als Schadensersatz für seine Herumkopiererei, die Erforschung des Kopierschutzes der Musikindustrie bezahlt. Eine Sichtweise, die übrigens auch gut vor evtl. aufkommenden Schamgefühlen schützt. – Dem Schamgefühl, die Steuer-Millionen für ureigene Zwecke einzusetzen.

Übrigens: Der Preisträger erhält 10.000 Euro und tritt alle Rechte an seiner Idee ab. Wenn aus der prämierten Idee ein guter Kopierschutz entstehen sollte, ist der Nutzen für die Musikindustrie unabsehbar. Vielleicht sollte Theseus doch noch einmal über die Höhe des Preisgeldes nachdenken? – Andererseits wird an dieser Stelle der ganz besonders sparsame Umgang mit den Fördermillionen deutlich. Man achtet bei Theseus ganz besonders darauf, möglichst wenig von dem großen Kuchen abzugeben. Das ist doch Sparkamkeit? – Oder nennt man das anders?

Vielleicht gelingt Theseus der wirklich geniale Coup: Mit dem Wettbewerb eine gute Idee zum Schnäppchenpreis erwerben, die man der Kanzlerin als gutes Arbeitsergebnis präsentieren kann, um sie dann noch als DRM-Patent anzumelden.
Blöd gelaufen wäre das dann nur für den Ideengeber. Wäre er nicht nur ein guter Erfinder, sondern auch ein wenig geschäftstüchtiger, hätte er seine Idee selbst zum Patent angemeldet, und sie danach an Theseus verkauft.

Schöne Grüße
Manfred Feige – JARIVA eGOpenProfiles

Erneute Schlappe für Datensammler

Gestern hat das Bundesverfassungsgericht die Massenspeicherung von Telefon- und Internet-Verbindungsdaten vorerst gebilligt, deren Nutzung für die Strafverfolgungsbehörden aber deutlich eingeschränkt. Langsam staunt selbst der unkritischste Betrachter nicht schlecht, dass das Verfassungsgericht die Grundrechte ausgerechnet immer gegen unsere Regierung verteidigen muss. Und das zum wiederholten Mal in kurzer Folge. Das Urteil scheit aber jeder wieder so zu deuten, wie es ihm passt. Die Medien sehen es als Schlappe der Regierung und Bestätigung der Grundrechte der Bürger. Die Regierung spricht von einem Sieg für ihre eigenen Gesetzesinitiativen.

Wie dem auch sei, eine Gefahr scheint aufgrund des neuen Urteils vorerst gebannt. Die Gefahr, dass Staatsanwälte gegen die zigtausend Kids ermitteln, die im Internet täglich Musik tauschen. Zumeist ohne schlechtes Gewissen und ohne Wissen der Eltern. Kritische Medien hatten ohnehin vermutet, dass das, was als Schutz vor Terrorismus in Gesetze gegossen wird, in der tagtäglichen Praxis dazu genutzt werden wird, die Musikindustrie vor weiteren Gewinneinbrüchen durch den massenhaften Musiktausch im Internet zu schützen. Die Idee schien für die gebeutelte Musikindustrie verlockend: Die Provider müssen die Verbindungsdaten speichern. Die Musikindustrie beauftragt Internet-Rechercheure damit, herauszufinden wo welche Musik getauscht wird, und der Staatsanwalt holt sich dann von den Providern die Verbindungsdaten und verfolgt die Kids mit juristischen Mitteln. – Die Staatsanwaltschaft als kostenloser Geldeintreiber der Musikindustrie. – Kriminalisierung der Jugend, weil die Musikindustrie es nicht schafft, ihre Produkte zu schüzten. – Diese Prophezeiung der kritischen Medien wird sich aufgrund des neuen Urteils nicht bewahrheiten. – Ein guter Tag für Eltern.

So muss die Musikindustrie doch selbst weiter nach geeigneten Mitteln suchen, um ihre Produkte zu schützen. Und auch auf diesem Gebiet tut sich etwas, über das in einem nächsten Blog zu berichten sein wird: Über das Leuchtturmprojekt Theseus. Dem deutschen IT-Projekt, das derzeit mit den großzügigsten finanziellen Mitteln ausgestattet ist.

Bis dann
Manfred Feige – JARIVA eGOpenProfiles