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Staatlich garantierter Mindestlohn für Millionäre.

Das unser Staat einige Freiberufler mehr liebt als andere, hatten wir im Freelancer-Blog schon mehrfach erwähnt. Beispielsweise im Hinblick auf Gebührenordnungen für Juristen oder Ingenieure. Im Prinzip eine Art staatlich garantierter Mindestlohn für Freiberufler. Welche Blüten derlei staatliche Fürsorge treibt, ist zurzeit am Beispiel des insolventen Autobauers Karmann zu sehen. Der Insolvenzverwalter hat für die ersten 90 Tage seiner Bemühungen die Rechnung eingereicht. Sie beträgt sage und schreibe 3,9 Millionen Euro. – Netto. Und er muss sich nicht einmal sagen lassen, dass er wie ein Geier über den Kadaver Karmann herfällt. Die gesetzlich festgelegte Gebührenordnung für Insolvenzverwalter garantiert ihm dieses Einkommen. Nicht, dass wir ihm sein fürstliches Einkommen für das 90-Tage Projekt nicht gönnen, aber seltsam finden wir den staatlich garantierten Mindestlohn für Millionäre schon. Mehr dazu bei der Neuen Osnabrücker Zeitung.

Mindestlohn für Freiberufler. Gibt es das?

Gestern hat der deutsche Bundestag wieder über Mindestlöhne diskutiert. Eine passende Gelegenheit, hier im Freelancer-Blog auch einmal die Freiberufler ins Gespräch zu bringen. Gibt es das? Mindestlöhne für Freiberufler?

Was sich auf den ersten Blick ziemlich abwegig anhört gibt es tatsächlich. Nicht für IT-Freiberufler, aber für unsere freiberuflichen Kollegen aus den Berufsgruppen Recht, Steuerberatung, Apotheken; ja sogar für Architekten und Ingenieure. Diese Berufsgruppen haben Gebührenordnungen, also staatlich festgesetzte Honorartabellen. In der Konsequenz gibt es ihn für diese Berufsgruppen, den Mindestlohn.

Und für die genannten Berufsgruppen gibt es sogar staatlich garantierten Schutz vor Konkurrenz. Es gibt Institutionen, die eifrig darüber wachen, dass niemand auf ihren Betätigungsfeldern wildert. Anwaltskammern, Steuerberaterkammern, usw. drohen jedem mit scharfen Sanktionen, der ohne ihren Segen etwas anbietet, das in die Angebotspalette ihrer Klientel fällt. Wehe dem Verein, der ein Mitglied rechtlich berät. Das darf in Deutschland nämlich nur ein Anwalt. Und wehe dem Buchhaltungsservice, der es wagt eine Bilanz zu erstellen. Das darf in Deutschland nur ein Steuerberater; obwohl eine moderne Buchhaltungssoftware die Bilanz ganz einfach per Mausklick ausdruckt. – Das ist staatlich garantierter Mindestlohn incl. Konkurrenzschutz.

Und wir? Die freiberuflichen IT-Spezialisten? Wir sollten in diesem Zusammenhang ruhig einmal ein paar Fragen an die Politik stellen:
Ist es eigentlich noch zeitgemäß, dass es für den deutschen Architekten eine Gebührenordnung gibt? Für den deutschen Software-Architekten gibt es sie nämlich nicht.
Ist es nicht ein Anachronismus, das in Deutschland berufsständische Kammern ihre Klientel vor unliebsamer Konkurrenz schützen?

Langsam, ganz langsam tut sich etwas. Zumindest bei den Apotheken rückt die Politik sehr vorsichtig von der staatlichen Wohlstandsgarantie für Apotheker ab. Natürlich unter erheblichem Widerstand der Kammern und Verbände. Und auch die Partei der Besserverdienenden läuft Sturm.
Nach jahrzehntelangen staatlichen Wohlstandsgarantien hat man sich offenbar an das bequeme Leben ohne Konkurrenz gewöhnt. Da fällt es nicht leicht sich an den Gedanken zu gewöhnen, sich künftig einem Wettbewerb stellen zu sollen. Ich empfehle den Berufsgruppen mit staatlich garantiertem Mindestlohn per Gebührenordnung, doch einmal einen Blick auf die Lebenswirklichkeit zu werfen, in der sich deutsche IT-Freelancer tagtäglich behaupten müssen. Wahrscheinlich ist ein solches Leben voller Konkurrenz von allen Seiten, für den deutschen Apotheker schlicht unvorstellbar. – Sozusagen ein echter Realitätsschock.
Bis dann, und schöne Grüße
Manfred Feige – JARIVA eGOpenProfiles