Achselzucken bei Ungerechtigkeiten?

Herr K. ist wieder zu Besuch in Deutschland. Er mag Deutschland. Schon als ihn seine Gastfamilie vom Flughafen abholt schwärmt er: Es ist genau so, wie Franz Beckenbauer sagte. Aus der Luft betrachtet ist Deutschland wie eine Paradies. Alles so schön grün. Und ist man dann gelandet, wirkt alles so ordentlich und sauber. Und die Menschen erst. Alle so freundlich und nett. Er umarmt seine Gastfamilie und reicht jedem ein Geschenk.

Abends schaut Herr K. mit seiner Gastfamilie die Tagesthemen. Der Bericht über eine alte Frau überrascht ihn. Die Sendung berichtet über eine Rentnerin. Sie kann sich in Deutschland das Altenheim finanziell nicht leisten. Nun lebt sie fern der Heimat in einem slowakischen Altenheim. Keiner spricht dort ihre Sprache. Als Herr K. zu Bett geht ist er deprimiert. Im Alter abgeschoben in die Ferne? Das findet er sehr traurig.

Einige Tage später unternimmt die Gastfamilie mit Herrn K. einen Ausflug. Im Autoradio gibt es einen Bericht aus Lünen. Die Menschen dort sind wütend auf die Regierung. Sie plant in einem Wohngebiet den Bau einer Klinik für Straftäter. Eine forensische Klinik. Die Sprecherin sagt, auf einem Plakat hätte gestanden: „Triebtäter nach Sibirien.“

Herr K. wendet sich zu seinem Freund: „Weist Du noch, der Bericht über die alte Dame, die jetzt in einem slowakischen Altenheim wohnt? – Warum habt ihr kein Geld für die alten Menschen? Warum lasst ihr zu, dass die Guten ins Ausland abgeschoben werden? Und warum habt ihr so viel Geld für die Bösen? Die Menschen spüren doch, dass das ungerecht ist. Sie wollen, dass die Straftäter nach Sibirien sollen und nicht die guten alten Menschen.

Ja, sagt sein Freund, das sind schon schreckliche Berichte und schaltet eine anderen Sender ein. Alle schweigen und lauschen der beschwingten Musik.

2 Gedanken zu „Achselzucken bei Ungerechtigkeiten?

  1. Hugo

    Zuallererst mal, ich bin auf diesen Blog gestoßen, weil ich das Konzept einer IT-Genossenschaft interessant und spannend empfinde. Nun habe ich mit Erstaunen diesen Artikel hier gelesen.
    Ich bin erstaunt über die, nennen wir es mal euphemistisch, verkürzte Gesellschaftskritik-Story.
    Kann man denn, gesetzt dem Fall, dieser Eintrag ist Ausdruck des Abstraktionsvermögen der genossenschaftlich verbundenen Fachkräfte, überhaupt komplexe IT-Projekte wuppen?

  2. ManfredFeige

    @ Hugo.
    Unsere Projektleiter „wuppen“ nicht nur große IT- und Engineering-Projekte. Sie können auch bei gesellschaftspolitischen und anderen Themen mitreden. Das gehört einfach dazu, wenn die Aufgabe z.B. darin besteht, eine Projektgruppe zu leiten. Und nicht nur das. Anders als die Nerds vergangener Tage, machen unsere Freelancer auch mit dem Sektglas in der Hand eine gute Figur. Während der typische EDV-Mensch vergangener Tage nur über IT-Themen redete und für die Anderen zu einer Spaßbremse wurde, wird vom modernen IT-Freiberufler mehr verlangt. Den Fachidioten vergangener Tage kann man heute eigentlich nur noch im Fernsehen und auf Parteitagen neuer Internetparteien bestaunen. Im beruflichen Umfeld ist er lange ausgestorben. Zu Recht.

    Manfred Feige
    JARIVA eG

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