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Fall Snowden: Keine Industriespionage?

Abhörskandal. CC-Foto von Patrick Stahl (pdstahl). http://creativecommons.org/licenses/by/2.0/deed.de

Abhörskandal. CC-Foto von Patrick Stahl (pdstahl). http://creativecommons.org/licenses/by/2.0/deed.de

Kurz vor Abschluss seiner USA-Reise gab Bundesinnenminister Friedrich bekannt, welche Erkenntnisse er im Fall Snowden mitbringt. In einem Interview der Tagesthemen sagte er, das Ausspähprogramm Prism sei vergleichbar mit dem deutschen G10-Gesetz. Seine Gesprächspartner hätten ihm außerdem gesagt, dass die US-Geheimdienste keine Industriespionage betreiben.

Wer die Nachrichten schon ein wenig länger verfolgt, wird sich verwundert die Augen gerieben haben. Gab es nicht schon vor Jahren Meldungen über amerikanische Industriespionage? Nur gut, dass das Internet nichts vergisst. Füttert man eine Suchmaschine mit dem, was noch in Erinnerung ist, stößt man schnell auf die entsprechenden Meldungen. Enercon heißt das ausspionierte Unternehmen. Enercon ist Pionier der Windkraftbranche und galt schon immer als innovativer Technologieführer. Das ARD-Wirtschaftsmagazin Plusminus berichtete bereits 1998 über Ausspähungen. Der US-Geheimdienst NSA soll die bei Enercon gewonnenen technischen Details an ein amerikanisches Unternehmen weitergegeben haben. Dieses Unternehmen hat dann in den USA entsprechende Patente eingereicht. Enercon durfte daraufhin seine Produkte nicht in die USA verkaufen. Der Schaden für Enercon wird auf etliche Millionen Euro geschätzt. 300 Arbeitsplätze konnten nicht geschaffen werden.
In Folge des ARD-Berichts kritisierte die Fraktion der Grünen den damaligen Ministerpräsidenten und späteren Bundeskanzler Schröder. Das alles war bereits 1998 in der öffentlichen Diskussion.

Wer in Wikipedia unter „NSA“ nachschaut, findet schon in den ersten Zeilen, dass es noch frühere Pressemeldungen gab. Z.B. im Spiegel und in der Zeit. Beide berichteten von „umfangreicher Lauschtätigkeit der NSA in Deutschland“; und zwar schon im Jahr 1989. Was haben deutsche Politiker seitdem für einen besseren Schutz deutscher Unternehmen getan?

Fall Snowden kratzt am Image der USA

PRISM-Demo anlässlich des Besuchs Obamas in Berlin. CC-Foto von Mike Herbst (ubiquit23)

PRISM-Demo anlässlich des Besuchs Obamas in Berlin. CC-Foto von Mike Herbst (ubiquit23) http://creativecommons.org/licenses/by/2.0/deed.de

Guantanamo, Tötungen durch Drohnenangriffe, die ständigen negativen Schlagzeilen aus Afghanistan und jetzt noch der Fall Snowden. Als hätten die USA nicht schon genug Probleme. Die immer neuen Enthüllungen um den Fall Snowden kratzen erheblich am Image der Supermacht. Zuletzt wurde bekannt, dass der US-Amerikanische Geheimdienst NSA auch Büros und Computersysteme der Europäischen Union ausspioniert hat.

Heute wird Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger u.a. in der „Welt“ mit folgenden Worten zitiert: Wenn die Berichte zutreffen, erinnert das „an das Vorgehen unter Feinden während des Kalten Krieges“. „Es sprengt jede Vorstellung, dass unsere Freunde in den USA die Europäer als Feinde ansehen“. So klar hat sich bisher noch kein Regierungsmitglied geäußert. Dass die Erklärung vorher mit der Bundeskanzlerin abgestimmt war, darf vermutet werden.
Im Vorfeld von Leutheusser-Schnarrenbergers offener Kritik hat sich Bundespräsident Gauck noch bemüht das ramponierte Image des großen Verbündeten aufzubessern. Im ZDF-Sommerinterview zeigte er Verständnis für die Geheimdienstaktivitäten. Er fügte aber hinzu: „Abwehr ja, aber verhältnismäßig.“ Und genau darüber wird jetzt eine Diskussion anbrechen. Sind die durch Edward Snowden aufgedeckten Aktivitäten der britischen und amerikanischen Geheimdienste verhältnismäßig? – Man darf gespannt sein, wie sich das Thema im deutschen Wahlkampf weiterentwickelt.