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Bremen: Gerichtsprozesse in englischer Sprache.


Der Bremer Weser-Kurier machte heute mit einer Schlagzeile auf, die ziemliches Entsetzen auslöste. „Bremer Richter wollen Prozesse in Englisch.“ – In Englisch? Das macht neugierig. Plattdeutsch, das wäre evtl. noch nachvollziehbar, schließlich sendet Radio Bremen auch Nachrichten auf Platt, aber Englisch? – Haben wir noch das Nachrichten-Sommmerloch, die saure Grukenzeit für Journalisten? Oder ist die Meldung ein neuerlicher Beweis dafür, dass das kleinste Bundesland doch besser in einem Nordstaat aufgehen sollte? Fragen über Fragen, die einem augenblicklich durch den Kopf gehen.

Der Artikel ist dann doch eher enttäuschend. Keine vergeistigten und der realen Welt entrückte Bürokraten. Keine misanthropischen Juristen, die dem Hochadel und Klerus vergangener Zeiten gleich, in einer anderen Sprache als das Volk parlieren wollen. Des Rätsels Lösung: Man möchte Verfahren in internationalen Handelssachen in englischer Sprache führen. Es geht darum, dass dem Staat angeblich erhebliche Einnahmen verloren gehen, weil der überwiegende Teil der Handelsstreitigkeiten vor privaten Schiedsgerichten ausgetragen wird. Es geht also um eine Art juristische Geschäftsidee.

Dass es eine eher spröde Story in Bremen auf die Titelseite schafft, ist der Kreativität der Schlagzeilenproduzenten zu verdanken. Der Freelancer-Blog hat in der Vergangenheit bereits über die Neuausrichtung des Weser-Kurier berichtet. Für nüchterne, norddeutsche Zeitungsleser ein ganz neues Lesergefühl, durch reißerische Schlagzeilen aufgepeppte B-Stories auf der Titelseite zu finden.

Vom Stress der Redaktionen, die Titelseite mit Text zu füllen.

Die Tageszeitungen stecken in einem schier ausweglosen Dilemma. Die zahlende Kundschaft läuft davon. Die Zeitungen sind gezwungen zu sparen. Preise für Betriebskosten wie Papier und Alkohol steigen. Trotzdem muss die Titelseite mit Text gefüllt sein. – Jeden Tag!

Heute präsentierte der Bremer Weser-Kurier seinen Lösungsansatz. Es wird auf jeden Fall spannend, wie sich dieser Ansatz weiterentwickelt.

Der neue Mut zur Provinzialität.

Der neue Mut zur Provinzialität beim Bremer Weser-Kurier.Am 1. Februar übernimmt beim Bremer Weser-Kurier ein neuer Mann die Position des Chefredakteurs. Der neue Stil ist aber schon jetzt deutlich erkennbar. Derzeit ist man als Leser noch etwas peinlich berührt. Aber mit der Zeit wird man sich wahrscheinlich auch an den neuen Mut zur Provinzialität gewöhnen.

Während andere große Tageszeitungen heute mit Schlagzeilen zu den aktuellen Themen aus Politik und Wirtschaftskrise aufmachen, leistet sich der Weser-Kurier ein neues Highlight.
Die Schlagzeile am 27.01.2009: „Fehler auf der Bremen Münze. Entwurf des Zwei-Euro-Stücks zeigt falsches Rathausfenster.“

Zum Hintergrund: Die Bundesbank plant eine Zwei-Euro-Münze aufzulegen. Auf der Rückseite wird der Bremer Roland und das Rathaus zu sehen sein. Seit Tagen berichtet der Weser-Kurier über dieses Ereignis. Eine Leserin entdeckte nun, dass auf dem Münzentwurf ein Fenster des Rathauses nur eine vertikale Strebe hat, statt der zwei Streben des echten Rathausfenster. Dieser Skandal war dem Weser-Kurier die heutige Schlagzeile wert. – Da mag die Welt in der Wirtschaftskrise aus den Fugen geraten, der Weser-Kurier zeigt den Bremern die wirklich wichtigen Themen. Geht’s noch provinzieller? Schauen wir mal.